Veranstaltung Prof. Dr. Hermann - Herder Bibliothek

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Dem Osten zugewandt....
Vortrag von Prof. Dr. Hermann im Nov 2019                                                                                                


Bericht über Herder-Vortrag am 19.11.19
von Ulrich Penski

Am 19.November konnte der Vorstand zu einem kunsthistorischen Thema in die Bismarckhalle einladen. Es waren gut 30 Mitglieder und Interessierte erschienen, um sich über „Die Marienburg und die Anfänge der Romantik in Preußen“ informieren zu lassen. Referent war Prof. Dr. Herrmann, der nach dem Studium u.a. der Kunstgeschichte sich intensiv mit der Forschung zum Thema „mittelalterliche Architektur im Preußenland“, insbesondere mit dem Hochmeisterpalast auf der Marienburg befaßt hat. Dies auch im Rahmen einer außerordentlichen Professur am Institut für Kunstgeschichte der Universität Danzig/Gdansk in örtlicher Nähe des Objekts.

Schon zu Beginn des Vortrags wurde deutlich, daß auch kunsthistorische Vorgänge sich nicht ohne politische Hintergründe entwickeln. So begann der Referent seinen Vortrag mit der Situation der polnischen Teilung 1772, durch die das sog. „Königliche Preußen“, d.h. das spätere Westpreußen, zum preußischen Staat kam und damit auch die Marienburg. Sie war damals eher eine Ruine als ein repräsentatives Gebäude des Deutschen Ritterordens, was der Referent auch mit einer zeitgenössischen Zeichnung dokumentierte.  Entsprechend preußischem Nützlichkeitsdenken sollte sie als  Wirtschaftsgebäude genutzt werden.    

Nach einem Besuch der Burg durch den preußischen Oberbaurat Gilly aus Königsberg sowie seinen Sohn Friedrich 1794 wurde eine Wende zur Würdigung der Burg als ein besonderes Gebäude mittelalterlicher Architektur eingeleitet. Friedrich G. entdeckt in der Architektur der Marienburg  Zeichen  der Romantik und entwirft entsprechende Zeichnungen. Nun werden Ordensritter und ihre Burgen als Zeugen des Beginns der Geschichte Preußens verstanden. Seine Zeichnungen werden  auch 1795 in einer Ausstellung in Berlin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und enthalten alle Merkmale der romantischen Malerei mit zum Himmel strebenden Symbolen. Es wird der Vertikalakzent der architektonischen Komposition betont. Friedrich G. spricht vom Gewölbe des großen Remters als „steingewordenes Feuerwerk“.  So begann, wie der Referent ausführte,  mit diesen Zeichungen die Wiederentdeckung der gotischen Architektur und die Romantik in Preußen. Eine dann 1799 von Friedrich Frick erstellte umfassende Dokumentation über die mittelalterliche Marienburg war dafür ein weiterer wichtiger Beitrag. Hinzu kamen vielfältige Beziehungen Friedrich Gillys zu Personen der deutschen Frühromantik, insbes. zu Heinrich Wackenrode und Ludwig Tieck.

Die Abkehr vom Nützlichkeitsdenken der preußischen Bauverwaltung bewirkte dann der spätere Oberpräsident von  Westpreußen, Theodor von Schön. 1795 hatte dieser bei einer Reise von Königsberg nach Berlin die Marienburg besucht. Er vertrat vor dem zuständigen Minister Schrötter die Auffassung Friedrich Gillys. Daraufhin stoppte der Minister schließlich die Abbrucharbeiten. Damit waren auch die Voraussetzung für die ersten Rettungsversuche der verfallenen Burg geschaffen, die 1804 schließlich zu Maßnahmen ihrer Erhaltung und später Wiederherstellung führten. Ein anonymer Artikel in der populären Zeitschrift „Die Freimütigen“, der - wie  sich dann herausstellte - vom späteren „dichtend-patriotischen Bannerträger der Befreiungskriege“, Max von Schenkendorf, stammte, hat dazu entscheidend beigetragen. Dort wurde die preußische Bauverwaltung des „Kulturvandalismus“ bezichtigt und die Abbrucharbeiten als „Entheiligung“ der Burg bezeichnet. Der Referent sah darin die „Forderung nach einem radikalen Paradigmenwechsel“ - weg von der Nützlichkeitsideologie hin zur Idee einer modernen Denkmalpflege. Dieser Wechsel fand auch Ausdruck in einer Kabinettsorder König Friedrich Wilhelms III, „dass für die Erhaltung des Schlosses zu Marienburg, als eines so vorzüglichen Denkmals der Baukunst, alle Sorge getragen werden solle“. Es war die „erste förmliche Unterschutzstellung eines Baudenkmals im deutschen Kulturraum“.

Während der napoleonischen Besetzung und der Befreiungskriege wurden die Marienburg und ihr Erbauer, der Deutsche Orden, zu einem patriotischen Symbol. Das Balkenkreuz des Ordens wurde „Vorbild“ für das 1813 vom preußischen König gestiftete „Eiserne Kreuz“, dessen Gestaltung dem preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel übertragen wurde. Dieser ist dann später bei der Wiederherstellung der Marienburg maßgeblich beteiligt. Es entwickelte sich eine Verknüpfung zwischen Befreiungskrieg und Marienburg als historische Zeugin großer politischer Vergangenheit. Der Romantiker Joseph von Eichendorff drückte es so aus: „Das Land Marienburg aber hatte den Umschwung der Geschichte zuerst gesehen und von hieraus flammte jene hinreißende Begeisterung auf, die mit ihren Freiwilligen und Landwehren alle deutsche Völker zu einem Siegesheer verbündete“. Von diesem Gedanken durchdrungen hat sich auch von Schön, inzwischen Oberpräsident von Westpreußen, beeindrucken lassen und die Wiederherstellung des Schlosses mit der Idee einer Reform von Staat und Gesellschaft in Preußen im Sinne einer Einheit von König und Volk vorangetrieben. Dabei hat er das Volk mit finanziellen und tätigen Beiträgen herangezogen. In der Auffassung der Romantik sollte sich Land und Volk an der Wiederherstellung der  historischen Architektur nicht nur beteiligen, sondern sich dabei auch  selbst daran  erbauen, wie es  Joseph von Eichendorff ausdrückte, den von Schön inzwischen in die die Arbeiten der Restauration eingebunden hatte. Die romantische  Verklärung gab Prof. Herrmann mit folgendem – verkürzten - Zitat von Eichendorff zum Charakter des  Hochmeisterpalasts wieder: „...tief aus dem Boden,von den übermächtigen Kellern, die wie der gebändigte Erdgeist sich unwillig beugend das Ganze tragen, erhebt sich der kühne Bau wie ein Münster , immer höher, leichter,  schlanker , luftiger bis in die lichten Sterngewölbe des oberen Prachtgeschosses hinein … so gleicht der weite, zarte Dom des Convent-Remters dem Himmel selbst in einer gedankenvollen Mondnacht, ....“
Preußische Persönlichkeiten vermittelten dem Referenten zufolge den Geist der Romantik auch an das westliche Deutschland, wovon die bauliche Vollendung des Kölner Domes mit preußischer Initiative und Förderung sowie die Burgen des Mittelrheins zeugen.  

Nach seinem  anregenden und informativen Vortrag stellte sich Prof. Herrmann den Fragen der Zuhörer. Es ergab sich eine angeregte Diskussion. Auf die Frage, ob es auch im Westen Deutschlands eigenständige romantisierende Wiederherstellungen gotischer Bauten gegeben habe, nannte der Referent die Burg Stolzenfels, die aber im  neugotischen Stil  ausgebaut wurde.  Eine  weitere Frage, ob für  die Rückwendung zur gotischen Architektur einer Zeit politischer Größe des Mittelalters auch die desolate  politische Lage Deutschlands Ende des 18./ Anfang des 19. Jh. eine Rolle gespielt habe, mochte er nicht verneinen
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